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Jena unterm Mikroskop

Wir wollen alle mitnehmen und für die Optik begeistern

Deutsches Optisches Museum©JenaKultur, RomanMoebius
Beim Thema Optikforschung sprüht Prof. Dr. Timo Mappes vor Begeisterung. Seit Juli 2018 ist er Gründungsdirektor des Deutschen Optischen Museums (D.O.M.) und Professor für Geschichte der Physik mit Schwerpunkt Wissenschaftskommunikation an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Unter seiner Leitung wird das Museum seit Juli 2019 umgebaut und konzeptionell erneuert. Im Gespräch schildert er seine Zukunftsvision: moderne Wissenschaft mit Optikgeschichte verbinden und das Museum in ein „Schaufenster der Optikforschung“ mit internationaler Zugkraft verwandeln. Die Neueröffnung inklusive eines Neubaus mit spektakulärer Fassade ist für 2026 geplant.

Herr Prof. Mappes, das Deutsche Optische Museum bekommt eine Verjüngungskur und wird über drei Jahre geschlossen. Ist es nicht mehr zeitgemäß?

Aus globaler Perspektive ist die Sammlung des Museums Weltklasse! Dennoch – die Ausstellung ist in die Jahre gekommen. Jetzt stehen bauliche Veränderungen an und wir setzen ein vollkommen neues Ausstellungskonzept um. Die letzten thematischen Veränderungen erfolgten in den 1990er Jahren, das heißt, die bisherige Darstellung ist veraltet. Wir haben etwa 20.000 Objekte und nur etwa 15 % davon waren für die Besucher sichtbar. Im neu gestalteten Museum werden über ein Schaudepot sehr viel mehr Objekte zu sehen sein als bisher, in der Dauerausstellung selbst dagegen werden wir uns auf die Präsentation weniger Objekte und deren ganzheitlichen Kontext beschränken. Darüber hinaus werden wir stets aktuellste Forschungsergebnisse der Optik allgemeinverständlich präsentieren. Die Aufgabe ist, die Bedeutung der Optik als Ganzes und speziell des Optik-Standorts Jena in der Welt unterhaltsam zu erklären und zu zeigen. Bisher war die Präsentation ganz im Stile der 1990er sehr objektlastig, die Texte in den Vitrinen nur auf Deutsch. Wichtige optische Entwicklungen, die jeder tagtäglich nutzt und die aus Jena stammen, wurden nicht erklärt. Das ändert sich!

Stichwort Brille – das Museum ist bekannt für seine umfangreiche Brillensammlung. Gibt es da auch Geheimnisse, die der Besucher nicht kennt?

Bei den Brillen haben wir Bestände, die noch gar nicht erfasst sind – zum Beispiel eine Sammlung von 4.000 historischen Brillen, die von einem bekannten Ophthalmologen in den 1930er Jahren angekauft und bis in die 1950er abbezahlt wurde. Und wer weiß schon, dass das Museum Brillen berühmter Persönlichkeiten besitzt – Friedrich Hölderlin, Rudolf Virchow, Robert Koch, Helmut Kohl. Diese lassen sich wunderbar in Szene setzen und in ihrem Kontext zeigen. Brillen waren immer auch Statussymbol. Scherenbrillen, diamantbesetzte Lorgnetten, Rauchquarzbrillen – früher zeigte man, dass man sich eine Brille leisten konnte. Genau dies wird ein sehr reizvoller Teil unseres Schaudepots sein, so werden unsere Besucher praktisch den gesamten Brillenbestand sehen können.

Wie werden Besucher das Museum nach der Wiedereröffnung erleben? Interaktiv und zum Mitmachen?

Wir sind dabei, die Ausstellung völlig neu zu konzipieren.

Das D.O.M. wird ein forschendes, interaktives Museum werden.

Geplant sind verschiedene Mitmach-Experimente. Aber wir wollen nicht, dass die Kinder völlig überdreht von einem interaktiven Exponat zum nächsten rennen und am Ende nicht sagen können, ob sie etwas gelernt haben. Die Experimente sollen für jeden interessant sein – Kinder, Studierende und Erwachsene. Wir wollen alle mitnehmen und für die Optik begeistern.

Deutsches Optisches Museum©JenaKultur, RomanMoebius

In Optik und Photonik wird an komplexen Zusammenhängen geforscht. Lassen diese sich überhaupt verständlich darstellen?

Unser Anspruch ist es, ein optisches Verständniszentrum aufzubauen und die Grundlagen spielerisch zu erklären. Was ist Immersion? Wie funktioniert Glasfaser? Was geschieht bei der Entspiegelung? Das wollen wir den Besuchern zeigen und in anschaulicher Weise begreiflich machen. Die Besucher sollen optische Phänomene selbst erkunden und verstehen, wie sie angewendet werden.

Und die weniger technisch Interessierten …?

Denen zeigen wir die Ästhetik der Objekte und deren Geschichte! Das Museum besitzt einzigartige Objekte, die wir entsprechend herausstellen werden. Wir haben beispielsweise hochwertige Prunkmikroskope. Wussten Sie, dass die Geräte mit ihrem verschnörkelten Design vom Barock bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts wichtige Status-Objekte waren? Wer es sich leisten konnte, ging zum Mikroskopieren, wie man heute zum Golfen geht. Oder nehmen Sie das kleine Fernrohr von Napoleon Bonaparte, das nach der Schlacht von Waterloo aus dem Wagen des französischen Kaisers geborgen wurde und das sich heute in unserer Sammlung befindet. Napoleon nutzte militärische Fernrohre, aber er war auch eitel genug, um Schmuckfernrohre zu verwenden. Wir besitzen Dokumente aus der Familie des Ulanen-Offiziers, der das Stück aus der Kutsche Napoleons holte, das ist authentisch und wunderbar in seinem Kontext zu zeigen!

Wichtige optische Entwicklungen kommen bis heute aus Jena. Welchen Platz nimmt die aktuelle Wissenschaft in der Neukonzeption des D.O.M. ein?

Als forschendes Museum pflegen wir insbesondere zur Friedrich-Schiller-Universität Jena eine enge Beziehung. In den einzelnen Galerien bzw. Themenbereichen des neu konzipierten Museums werden eigene Darstellungsbereiche für die ganz aktuelle Themen eingerichtet werden. Hier erläutern Nachwuchswissenschaftler auf verständliche Weise und sehr kompakt, woran sie gerade arbeiten. Also eine Art intellektuelle Sendung mit der Maus. Alle drei Monate sollen die Inhalte wechseln – wie in einem Schaufenster der Optikforschung. So können wir zeigen, was aktuell auf dem Gebiet der Optik passiert und wohin die Entwicklung geht. Das ist besonders spannend, denn die Zukunft in der Optikforschung lässt sich nicht wirklich voraussagen. Doch wir können zeigen, woran momentan gearbeitet wird und diese Darstellung ständig aktuell halten.

Braucht Optikforschung heute noch den Blick in die Historie?

Keine Frage! Aktuelle Entwicklungen entstehen im Dialog mit der Vergangenheit. Das D.O.M. besitzt einen einmaligen Schatz an Objekten und Literatur, den wir der Forschung erschließen und zur Verfügung stellen wollen. In unserer Bibliothek befinden sich beispielsweise Originalwerke von Johannes Kepler. Der berühmte Optiker und Naturwissenschaftler lebte im 16./17. Jahrhundert! Diese und andere bedeutende Schriften sollen digitalisiert werden, so dass sie künftig für Wissenschaftler und Studierende leicht zugänglich sind. Einen Teil der Werkstatt von Carl Zeiss wollen wir im originalen Kontext als eine typische Optikerwerkstatt jener Zeit zeigen. Noch heute werden für hochempfindliche High-End-Geräte handpolierte Linsen verwendet. In unserem Bestand sind die historischen Originalgeräte dafür vorhanden. Das ist unbezahlbar und sehr anschaulich!

Deutsches Optisches Museum©JenaKultur,RomanMoebius

Mit welchen Besucherzahlen rechnen Sie, wenn das neu gestaltete D.O.M. seine Tore öffnet?

Momentan kommen pro Jahr etwa 20.000 Besucher zu uns, nach dem Umbau rechnen wir mit 50.000. Eine wichtige Zielgruppe sind zum einen die Jenaer und ihre Besucher. Die Einwohner sollen ihre Gäste gern ins D.O.M. führen, weil sie wissen, dass es dort immer etwas Neues zu entdecken gibt, auch für sie selbst. Zum anderen wollen wir die Lehrer motivieren, mit ihren Schülergruppen zu kommen – nicht nur aus Thüringen, sondern aus einem Umkreis von gut 100 km. Das kann man als Tagestour schaffen. Und natürlich denken wir an das Fachpublikum im weitesten Sinne. Das heißt, wissenschaftliches Publikum aber auch Teilnehmer an Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit dem Volkshaus. Warum nicht ein Walking Dinner zwischen Brillen und Mikroskopen?

Wohin werden Sie Ihre Besucher führen, solange das Museum geschlossen ist?  

Jena hat ja viele attraktive Orte, die für Besucher interessant sind. Empfehlen werde ich immer gerne den Botanischen Garten oder das Phyletische Museum mit dem in der Sanierung befindlichen Haeckel-Haus. Das sind forschende Einrichtungen, die zum Verweilen einladen. Für eine große Zahl an Besuchern besonders interessant ist jedoch vor allem das ZEISS-Planetarium, das ebenfalls ein Meilenstein der globalen Geschichte der Optik ist. Wer bei gutem Wetter die Landschaft erkunden möchte, dem rate ich, sich die Lichtstadt von oben von der SaaleHorizontale anzuschauen – oder zur in der Ferne thronenden Leuchtenburg zu wandern. Kabinettausstellungen sind im D.O.M. während des Umbaus nicht geplant, wohl aber sind wir gerade sehr eifrig dabei, Sonderausstellungen unserer musealen Partner mit Exponaten zu beschicken.

Und welcher Ort in Jena inspiriert Sie persönlich zu neuen Ideen – das D.O.M. mal außen vor gelassen?

Neue Ideen der Darstellung von Inhalten der Optik & Photonik entstehen in Jena oft ganz spontan in der Diskussion mit Kollegen der Friedrich-Schiller-Universität. Wenn ich so überlege, welche Orte sich zur Wissenschaftskommunikation besonders und geradezu einmalig anbieten, dann fällt mir das gerade genannte ZEISS-Planetarium ein. Mit 130.000 Besuchern im Jahr zieht es bereits mehr Gäste nach Jena als die Stadt Einwohner zählt – das ist sehr beachtlich. Erfolgreiche eigene Shows werden dort bisher zur Unterhaltung produziert. Diese Kuppel könnte man darüber hinaus als immersiven Ort zur Popularisierung von aktuellsten wissenschaftlichen Inhalten verwenden – da kommen viele Ideen auf.

Im Hörsaal wie vor 100 Jahren

Reichliche drei Jahre dauert die Kernsanierung des Hauses inklusive Austausch aller Versorgungsleitungen. Ein Schmuckstück des 1924 als Optikerschule erbauten Gebäudes ist der Hörsaal für 100 Personen, der wieder im Originalzustand erstrahlen soll: die alten Bänke mit Tintenfässern, das Pult mit Schieferplatte und Wasserzugang, die originalen Leuchten. Dann wird auch die Inschrift „Per aspera ad astra“ – „Durch das Raue zu den Sternen“ wieder lesbar sein, die vom Philosophen Seneca stammt. Aufgang und Bodenfliesen sind ebenfalls im Original erhalten geblieben. In den anderen Räumen ist nichts mehr wie früher. Sie erhalten eine neutrale Gestaltung, um die Experimente und Objekte in den Mittelpunkt zu stellen. Auf gut 2.000 m² Ausstellungsfläche wird das D.O.M. nach der Neueröffnung seine Schätze zeigen und Optik erlebbar machen. Eine Stiftung aus Carl Zeiss AG, Carl-Zeiss- und Ernst-Abbe-Stiftung, der Stadt Jena und der Friedrich-Schiller-Universität trägt das umfangreiche Vorhaben.